Jean Monnet – Vater und Architekt der Europäischen Einigung?

Interviewer:       Jean Monnet, ich begrüße Sie recht herzlich. Sie sind in Cognac, einer Gegend in Frankreich, aufgewachsen. Erzählen Sie doch etwas von ihrer Kindheit dort. Wie war sie?

Jean Monnet:    Wie Sie schon sagen, bin ich in Cognac aufgewachsen, in einer Region im Westen von Frankreich. Dort wurde ich auch am 9. November 1888 unter dem Namen Jean Omer Marie Gabriel Monnet geboren. Der ist für die Geschäftswelt und Politik allerdings ein bisschen zu lang, weshalb ich einfach nur Jean Monnet bevorzuge.

Interviewer:       Gut, dann bleiben wir auch dabei. Ihr Vater war ein Cognacgroßhändler. Sie wurden ja sogar praktisch in eine Cognac- und auch Weinhandeldynastie hineingeboren. Sind Sie dadurch schon früh mit der Geschäfts- und Finanzwelt in Berührung gekommen?

Jean Monnet:    Ja, das kann man durchaus so sagen. Durch meinen Vater, der mich früh in unser Familienunternehmen eingebunden hat, habe ich diese Welt entdecken können. Dafür bin ich ihm sehr dankbar, denn so konnte ich herausfinden, was ich später einmal machen möchte.

Interviewer:       Sie sagten, Sie wurden früh miteingebunden. Stimmt es, dass Sie die Schule abgebrochen haben?

Jean Monnet:    Ja, das stimmt. Mit 16 Jahren habe ich die Schule verlassen und meinem Vater in der Firma geholfen. Das bereue ich auch nicht.

Interviewer:       Sie sind dann viel für die Firmengeschäfte in der Welt herumgereist. Wo waren Sie denn überall?

Jean Monnet:    So genau weiß ich das schon gar nicht mehr. Ich habe nämlich zwischen den Jahren 1906 und 1914 zahlreiche Reisen ins Ausland unternommen. Ich war mehrmals in England und den USA und außerdem auch in Polen und China.

Interviewer:       Und dann kam der Krieg.

Jean Monnet:    Ja. Ich war 26 Jahre alt und kam gerade von einer Reise aus Kanada zurück nach Hause, als ich von der Generalmobilmachung erfuhr. Glücklicherweise musste ich nicht kämpfen. Während des Krieges war ich stattdessen in London, um an der Errichtung und dem Ausbau interalliierter Stellen zur Vereinheitlichung der Versorgung und des Transportwesens mitzuarbeiten. Nach dem Krieg wurde ich dann stellvertretender Generalsekretär des neu gegründeten Völkerbundes, was ich bis 1923 auch blieb.

Interviewer:       Und schon dort zeigte sich ihr Streben nach Frieden und politischer Stabilität in Europa?

Jean Monnet:    Richtig. Mir war schon damals bewusst, dass Europa ein stabiles politisches und wirtschaftliches System braucht. Dafür gründete ich dann auch Komitees, die sich mit der wirtschaftlichen und finanziellen Entwicklung des Völkerbundes beschäftigten.

Interviewer:       1923 bis 1939 zogen Sie sich dann etwas zurück. Warum?

Jean Monnet:    Ein persönlicher Schicksalsschlag. Mein Vater starb und ich musste zurückkommen, um die Firma wieder aufzubauen, die in Schwierigkeiten geraten war. In dieser Zeit zog ich mich deshalb auf Beratertätigkeiten zurück. Trotzdem war ich im Ausland, habe in Polen und Rumänien geholfen die Währungen zu stabilisieren und habe auch bei der Gründung einer Bank in San Franzisco mitgewirkt.

Interviewer:       Und 1934 haben Sie dann auch noch ihr privates Glück gefunden.

Jean Monnet:    Mein geliebte Ehefrau Silvia de Bondini. Sie ist Malerin wissen Sie. Mit ihr zusammen habe ich zwei wunderbare Töchter. Meine Frau und meine beiden Mädchen sind mein größter Stolz.

Interviewer:       Das glaube ich ihnen sofort. Ihr Glück wurde aber schon wieder gestört.

Jean Monnet:    Ja, leider. Der Zweite Weltkrieg kam und ich wurde in geheimer Mission in die USA geschickt um Kampfflugzeuge und Kriegsmaterial für die französische Regierung zu kaufen. Zusätzlich stand ich auch an der Spitze eines Komitees, welches für die kriegswirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Großbritannien und Frankreich zuständig war.

Interviewer:       Hier zeigte sich dann auch ihre Idee von einer besseren und stärkeren Zusammenarbeit zwischen den europäischen Staaten.

Jean Monnet:    Ich setzte mich dafür ein, dass das Komitee zu einer politischen Union erweitert wird. Dieser Vorschlag scheiterte aber.

Interviewer:       1943 nahmen Sie dann an der provisorischen Regierung der französischen Republik in Algier teil.

Jean Monnet:    In der Tat, das habe ich. Es war allerdings ehr ein Exil als sonst irgendetwas. Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte ich dann aber wieder zurück und übernahm die Leitung des neu eingerichteten Planungsamtes in Frankreich, was ein Programm zur Modernisierung der französischen Wirtschaft erarbeitete.

Interviewer:       In diesem Zeitraum von 1946 bis 1950 entwickelten Sie dann auch ihre Ideen weiter auf denen der Schuman-Plan beruht?

Jean Monnet:    Genau. Ich überlegte was nötig wäre, um eine europäische Einigung zu erzielen. Damit trat ich dann an den damaligen französischen Außenminister Robert Schuman heran, der diese auffasste und in dem Schuman-Plan präsentierte.

Interviewer:       Sind Sie eigentlich enttäuscht darüber, dass der Plan nach ihm und nicht nach ihnen benannt wurde?

Jean Monnet:    Nein, überhaupt nicht. Schließlich haben wir beide dazu beigetragen. Auch wenn er auf meinen Vorstellungen und Ideen beruht, hätte ich ohne ihn nie die Möglichkeit gehabt, diese zu verwirklichen. Dafür fehlte mir die Macht eines öffentlichen Amtes.

Interviewer:       Es kommt also auf das Ergebnis an?

Jean Monnet:    Richtig. Durch den Schuman-Plan kam die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl 1952 zustande. Die erste supranationale Organisation in Europa. Dadurch sind wir der europäischen Einigung ein Stück näher gekommen. Aus der EGKS entwickelte sich dann die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, die zum Ziel eine gesamtwirtschaftliche Zusammenarbeit vorsieht.

Interviewer:       Und was haben Sie jetzt noch vor?

Jean Monnet:    Natürlich weiter an dem europäischen Einigungsprozess arbeiten. Denn der wird niemals abgeschlossen sein.

Interviewer:       Vielen Dank für ihre Zeit und Antworten.

Jean Monnet:    Gerne.

 

Jean Monnet starb am 16.März 1979 in Paris und wurde später feierlich in Pariser Panthéon überführt. Aus der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft entwickelte sich dann die Europäische Union. Durch seine Idee und Vorstellung von einem geeinten Europa leben wir heute in der EU, einer Gemeinschaft von Staaten, die sich gegenseitig unterstützen und helfen. Dafür hat Jean Monnet, Architekt und Vater der Europäischen Einigung, den Grundstein gelegt.

 

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