Ein Tag im Leben von Herrn Frönd: Ein Tag wie kein anderer!

Wir schreiben den 25. Januar 2024. Ein Tag wie jeder andere. Und doch ist es ein Tag wie kein
anderer. Ich erblicke das Licht des Tages um 6.30 Uhr, na ja, es ist natürlich noch dunkel. Da die
Hälfte der Familie sich gerade im Ausland befindet, ist es beim Frühstück seltsam still. Ich versuche,
meiner Frau, die gerade in Afrika arbeitet, eine Nachricht zu schicken. Aber immer noch haben wir
kein Wlan. Seit eine mir unbekannte Firma irgendwo im Nirgendwo bei Erdarbeiten
unvorsichtigerweise Glasfaserkabel durchgerissen hat, läuft bei mir seit 4 Tagen nichts mehr.
Anscheinend ist der ONT zerstört, aber wer weiß das schon. Alle haben sich schon so an die ständige
Erreichbarkeit gewöhnt, dass ein Ausfall von Internet und Telefon einer halben Katastrophe zu
gleichen scheint. Eine meiner Töchter arbeitet momentan in der Dominkanischen Republik, einer
Insel in der Karibik in Mittelamerika. Sie macht dort, nach dem Abitur im letzten Jahr, ein freiwilliges
Jahr mit Unterstützung des Bistums Münster mit dem Programm „Weltwärts“. Auch von ihr habe ich
keine WhatsApp erhalten. Schade. Informationen aus der Schule erreichen mich zuhause deshalb
ebenfalls nicht. Logisch.
Wie gewohnt fahre ich mit dem Fahrrad zur Schule, das dauert ca. 12 Minuten, ich parke am Ständer
neben den Hausmeistergaragen. Zunächst arbeite ich an meinem Schreibtisch im Lehrerzimmer,
bevor ich dann mit dem Unterricht in Raum 1.02 in der Q1 mit Deutsch beginne. Wir behandeln in
diesen Wochen den Roman „Der Trafikant“, der natürlich auch abiturrelevant ist. Nach der großen
Pause unterrichte ich Musik in der 10b. Für etliche Schülerinnen und Schüler ist es wohl heute die
letzte Musikstunde in ihrem Leben – falls sie nächstes Jahr Kunst und später Literatur wählen. Aber
irgendwie ist das alles noch weit weg. Wir sprechen u.a. über Apps, die man auch in Zukunft allein
ausprobieren bzw. nutzen könnte. In der zweiten Pause fragen mich zwei Schülerinnen, ob ich über
einen Tag aus meinem Leben schreiben könnte – für die LoNews, und bis zu den Osterferien. Das
mache ich gern, weiß aber, dass so etwas gar nicht immer so einfach ist. Und ich denke: Worüber soll
ich schreiben? Was ist überhaupt interessant? Was kann ich über mich preisgeben und was sollte ich
lieber nicht veröffentlichen?
Nach dem Mittagessen geht es mit dem Zeitungsprojekt in der 8a im Raum 3.24 weiter. Wie fast
immer wurde vergessen, die geschenkten Westfälischen Nachrichten, die jeden Tag am
Haupteingang liegen, in der Klasse zu verteilen. Kein Problem. Dann holen wir sie schnell. Und schon
flitzt jemand los. Wir behandeln gerade die diversen Formen von Zeitungsartikeln – Bericht,
Kommentar, Glosse, Reportage usw. Frau Goldkuhle hält ihre letzte Stunde, bevor sie nach dem
Halbjahreswechsel in eine andere Klasse wechselt. Am Nachmittag unterrichte ich wieder im
Musikraum. In der Q1 behandeln wir gerade das Thema Musik & Politik, bzw. gesellschaftliches
Engagement von Musikern, u.a. an dem Beispiel des romantischen Künstlers Franz Schubert und dem
modernen, vielen eher unbekannten Kurt Weill. Ein Schüler beschwert sich plötzlich über seinen
Mitschüler, dieser habe eine ChatGPT-Seite über ihn generiert und ihn als Terroristen dargestellt. Ich
wusste gar nicht, dass das geht. Man lernt jeden Tag noch etwas dazu. Wir einigen uns darauf, dass
wir die Angelegenheit mit den Tutoren klären (was wir dann in den folgenden Tagen auch taten).
Durch die große Glasscheibe des Musikraums sehe ich einen älteren Herren, der immer hin und her
zu laufen scheint. Er trägt einen großen Stock in der Hand und spricht vereinzelt mit
vorbeikommenden Passanten. Eine Schülerin bringt mich auf die Idee, dass dieser Mann verwirrt
erscheint. Wir öffnen das Fenster und sprechen den Herrn an. „Thank you, thank you!“, sagt er
immer wieder. Der Mann scheint sich sehr gut mit Grammatik auszukennen und fragt uns etwas zu
grammatikalischen Fällen, auch in Latein. „Thank you, thank you!“ Jemand im Kurs meint, vielleicht
ist es ein pensionierter Lehrer? Ich entscheide, dass wir doch Hilfe holen sollten, zwei Schülerinnen
laufen zum Sekretariat und sagen Bescheid. Ich bekomme während des Unterrichts über Teams
überraschend eine Nachricht, ob ich um 18 Uhr bei einer Gedenkfeier für eine gerade verstorbene
Schülerin aus Füchtorf Musik spielen könne. Also in 3 Stunden? Nun gut, ich sehe es als eine
Selbstverständlichkeit an und sage zu. Wie aus dem Nichts klingelt plötzlich mein Handy in meiner
Tasche. Ich wundere mich selbst, dass es gar nicht aus ist. Meine Tochter ruft aus der
Dominikanischen Republik an. Ich weiß, dass sie mit der verstorbenen Schülerin eng befreundet war
und sage kurzentschlossen zum Kurs:„ Es tut mir leid, das ist mir noch nie passiert, aber ich muss
rangehen.“ Meine Tochter fragt mich, ob ich abends in der Kirche spielen kann. Anscheinend scheint
sie mit den anderen Organisatoren in engem Kontakt zu stehen. Ich bejahe das und wir beenden das
Gespräch. Es könnte ihr besser gehen.
Um 18 Uhr beginnt die Gedenkandacht. Es ist ein besonderer Moment. Fast die komplette Stufe der
ehemaligen Abiturienten („Q3“) scheint gekommen zu sein. Es geht allen sehr ans Herz. Frau Niehoff
nennt mir ein Lied aus dem grauen Gotteslob, dass ich spielen und singen mag. Interessanterweise
stelle ich fest, dass die Noten gar nicht zur eigentlichen Melodie passen. Egal, dann muss es eben aus
dem Kopf gehen. Die Gemeinde singt gut mit und ein Gefühl von Gemeinschaft ist zu verspüren. Über
einen Beamer werden Gruppenfotos mit strahlenden Gesichtern aus der Vergangenheit an die weiße
Kirchenwand geworfen. Ein paar Mal sehe ich auch meine Tochter in groß. Da ich sie seit sieben
Monaten nicht mehr gesehen habe, ist das plötzlich gar nicht einfach für mich. Für das Ende hat sich
das Vorbereitungsteam, aus den engsten Freundinnen bestehend, Musik aus der Bluetoothbox
überlegt. Als die Musik endet, bleiben alle in Stille sitzen und spüren den traurigen Moment. Das
Team ist dankbar, als ich mich nach gut zwei Minuten entscheide, zum Auszug Musik auf dem Klavier
zu spielen, einfach so, damit der Auszug der Menschen nicht in Stille erstarrt. Viele Tränen fließen
noch. Leise, aber mehrfach, hört man das Wort „Danke“.
Ich komme schließlich nach Hause. Nach dem Abendessen macht meine jüngere Tochter aufgrund
von Symptomen einen Corona-Test – POSITIV. Es tut mir natürlich leid. Wir nehmen vorsichtshalber
voneinander Abstand und bereiten uns auf den morgigen Tag vor.
Spät abends überprüfe ich noch einmal meine Nachrichten auf dem Handy. Der Gitarrist der Band,
mit der ich freitags oft probe, hat sich überraschenderweise entschlossen, die Band endgültig zu
verlassen. Dabei sollte doch eigentlich am 14. April ein gemeinsamer Auftritt sein! Ich bin schon
etwas irritiert und enttäuscht. Und es ist klar, das dies nun das Ende der Band bedeutet.
Ein Tag wie jeder andere. Und doch ein Tag wie kein anderer.
Na dann, gute Nacht! Alles wird gut, denn morgen heißt es wieder….
Eiiiiiiiiiiiiiiiiiiiinen wunderschönen guten Mooooooooooorgen!
JD Frönd


P.S. Dieser Text wird in Kürze vertont. Falls euch dieser Text gefallen hat, kauft den Song, dann wird es sicher ein Welthit! Thank you, thank you!!!

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